Gegen-Hegemonie und Staat

Transformation geschieht nicht im luftleeren Raum. Staatliche Strukturen spielen eine wichtige Rolle für gesellschaftlichen Wandel – genauso wie für den Erhalt des Status quo. Wie gehen wir mit dem Staat um? Wie kann ein strategischer und auch differenzierter Umgang mit staatlichen Strukturen aussehen?

Wenn wir über Hegemonie nachdenken, kommen wir nicht um den Staat herum. Aber was ist das genau, der Staat? Zum Staat gehören staatliche Institutionen, wie Parlamente und Ämter, aber auch die Menschen in diesen Institutionen, wie Verwaltungsangestellte, Polizist*innen und Politiker*innen. Zum Staat gehören nicht zuletzt auch Regeln, zum Beispiel welche Währung wo gültig ist und dass du wegen Fahrens ohne Ticket ins Gefängnis kommen kannst. Ständig und überall kommen wir mit staatlichen Strukturen in Berührung: nicht nur auf Ämtern und in Gerichten, sondern eben auch im Alltag. So musst du bei Rot halten, aufgrund der Schulpflicht kannst du nicht einfach ausschlafen und der*die Nachbar*in darf nicht ohne Erlaubnis in deine Wohnung kommen. Zugleich gibt es Menschen, die öfter mit der übergriffigen Seite von Staatlichkeit konfrontiert sind als andere, beispielsweise wenn die Polizei sie aufgrund ihres Aussehens kontrolliert. Staatliche Strukturen sind ein zentraler Baustein davon, wie wir die Welt sehen und wie Gesellschaft funktioniert – sie sind ein einflussreicher Teil von Hegemonie.

Wenn wir über Transformation und Gegen-Hegemonie nachdenken, ist es deswegen wichtig, den Staat in den Blick zu nehmen. Denn wenn wir den Staat im Kontext von Transformation ignorieren, riskieren wir, nicht über Veränder­ungen in Nischen hinaus zu kommen. Für soziale Bewegungen, die für ein Gutes Leben für alle kämpfen, ist es also eine Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit dem Staat? Wenn wir Strategien zum Umgang mit Staat und Staatlichkeit entwickeln wollen, müssen wir uns erstmal bewusstmachen, was eigentlich unser Staatsverständnis ist und über welche Ebenen und konkreten Elemente von Staatlichkeit wir sprechen. Außerdem hängt das Verhältnis zum Staat oftmals auch davon ab, welche Erfahrung Menschen im Privaten, aber auch im Politischen mit staatlichen Strukturen machen: Haben sie vor allem Kontakt zu einem wohltuenden Staat, der ihnen zum Beispiel durch Bafög das Studium ermöglicht? Oder mit den repressiven Seiten eines Staates, der ihnen bei einer rassistischen Polizeikontrolle begegnet oder sie im Jobcenter demütigt? Haben sie gerade eine Kampagne gegen die unmenschliche Politik des Heimatministeriums gestartet oder haben sie Verbündete im lokalen Migrationsbeirat?

Zum Weiterstöbern

Moritz Zeiler (2017): Materialistische Staatskritik. Eine Einführung. Schmetterling-Verlag.

Seite 97